Páramo
Ab Tabay, 10 Kilometer nach Verlassen Méridas in Richtung Los Llanos,
schraubt sich die Transandina, die schönste Straße Venezuelas, zunächst immer
höher in das Hochland der Sierra Nevada hinauf, vorbei an Bergbauern und ihren
mit Hilfe von Ochsenkarren bestellten Feldern. Abgesehen von der beeindruckenden
Berg- und Tallandschaft und den typischen andinen Dörfern links und rechts der
Straße, passiert man auf der Tour eine Reihe von Punkten, an denen man unbedingt
kurze Besichtigungspausen einlegen sollte: Mifafi, Forschungs- und Aufzuchtstation
für Kondore: 1992 wurden fünf ausgewachsene Kondore genau an dieser Stelle mit
dem Ziel in die Freiheit entlassen, die Täler und Höhen des Nationalparks Sierra
Nevada wie einst mit Kondoren zu besiedeln. Unter den fünf Kondoren fand sich
ein Paar, das aufgrund der strikten Monogamie der Vögel ein Leben lang zusammen
bleiben sollte. Im Idealfall hätten sie alle zwei Jahre Nachkommen in die Welt
setzten können, doch leider blieb ihnen der Kinderwunsch verwehrt. Die Biologen
der Station mussten in den letzten beiden Jahren herbe Rückschläge einstecken,
denn nachdem ein Bauer einen der Vögel erschlagen hatte, fiel ein zweiter Kondor
der Kugel eines übermotivierten Polizisten aus Caracas zum Opfer. Trotzdem ist
das Tal, in dem sich die Station befindet, ein idealer Ort, um große Greifvögel
beobachten zu können. Dann geht es weiter nach San Rafael de Mucuchies, an dessen
Ortsausgang die natursteinernen Kapelle (UNESCO Kulturerbe) des in Venezuela berühmten
Künstlers Juan Felix Sánchez (1900-1997) steht, nach dem in Mérida ein Museum
benannt ist. Kurz darauf folgt eine Abzweigung zum Aguila-Pass auf 4200 Meter
Höhe: Die skurrile Landschaft ist geprägt durch die für die Páramo-Vegetation
typischen Frailejones (Espiletien), die hier eine Höhe von bis zu drei Metern
erreichen. Der einheimische Name Frailejón leitet sich ab von Frai oder Fray,
zu deutsch Mönch. Mit etwas Phantasie wird man die Mönche in den Pflanzen erkennen,
deren herabhängende braune Blätter an die Mönchskutte erinnern. Die Hochlandbewohner
nutzen die Blätter als Füllmaterial für Matratzen und Kissen und schreiben den
aus der Pflanze extrahierten Wirkstoffen sowohl eine empfängnisverhütende als
auch eine potenzsteigernde Wirkung zu. Zudem hilft das Extrakt gegen Kopfschmerzen
und bei Kreislaufproblemen aufgrund der Höhe. Wieder auf der Transandina erreicht
man bald darauf den höchsten Punkt der Straße, an dem die Gletscherlagune Mucubají
liegt. Die Landschaft auf 3500 Meter prägt ein niedriger karger Kiefernwald. Der
steinige Boden ist meist mit Farnen und Flechten bedeckt. Durch diese Landschaft
kann eine zweistündige Wanderung von der Laguna Mucubají zur Laguna Negra erfolgen,
die anschließend in Verbindung mit der Einkehr in eines der beiden am Eingang
der Lagune liegenden Restaurants steht und dessen Spezialität eine frisch gefangene
und in Knoblauch gebratene Bergforelle ist. Sieben Kilometer weiter findet sich
zum Hang hin und leicht versteckt das Kloster Los Frailes: Die Klosteranlage stammt
aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, dient heute als Hotel und gilt als
eines der charmantesten weltweit. Páramo auf eigene Faust: Ab dem Busbahnhof in
Mérida oder ab der Plaza Bolívar in Tabay kann man mit dem Bus "Barinas" (auch
"Barinitas" und "Santo Domingo") bis zur Lagune Mucubají fahren und von dort zur
Laguna Negra wandern. Auf dem Rückweg kann man sich von jedem passierenden Bus
in Richtung Mérida in Apartaderos an der Tankstelle (bomba/gasolinera mit Blick
auf die Sternwarte) absetzen lassen und sucht sich ein Taxi, welches auf den Aguila-Pass
hochfährt. Wieder zurück an der Hauptstraße (Transandina) steigt man in einen
der Busse nach Mérida. Geführte Touren durch den Páramo: Wenn ihr eine Tour in
die Llanos plant, dann erkundigt euch, welche Stationen im Páramo die Tour bereits
beinhaltet. Oder macht erst die Llanostour und entscheidet dann, was ihr im Páramo
noch sehen wollt. Leider führt fast keine der Llanos-Touren zum Aguila-Pass hoch.
Je nachdem, mit welcher Agentur ihr die Llanos bereist, könnt ihr auf das Programm
einwirken. Die Lagunen Mucubají und Negra könnt ihr später immer noch bequem mit
dem Bus ansteuern. |